Dem Urteil des Landgerichts Köln entsprechend erkennt die Piratenpartei Landsberg an, dass Eltern im Rahmen des Sorgerechts das Recht haben, bestimmte Entscheidungen bezüglich ihres Kindes zu treffen, dass davon jedoch nur solche Entscheidungen gedeckt sind, die dem Wohl des Kindes dienen, nicht jedoch solche Entscheidungen, die einen irreversiblen Eingriff in das Recht auf körperliche Unversehrtheit des Kindes enthalten.
Wir schließen uns der Einschätzung von Serdar Akin, Bundesvorsitzender des Bundes der alevitischen Jugend an, der ausdrücklich fordert: “Mein Körper-Meine Entscheidung”. Für ein friedfertiges und soziales Deutschland bedarf es einen Konsens in allen gesellschaftlichen Fragen. Eine pluralistische Diskussion kann manchmal weit verbindender sein, als eine vorgespielte Einhelligkeit. Kein religiöses Gesetz der Welt hingegen kann sich einer kritischen Überprüfung durch weltliche Gerichte entziehen. Religiöse Vorschriften und Gebote dürfen dem deutschen Grundgesetz nicht widersprechen, wenn sie eine Ausübung anvisieren.
Das Gerichtsurteil könne man ein Stück weit als den Versuch verstehen, Kinder in diesen Entscheidungsprozess einzubinden. Die Eltern diskutieren mitunter wochenlang mit ihren Söhnen welches Smartphone das richtige für sie ist. Dann kann und darf man sich auch nicht zu schade sein, mit dem Sohn einige Stunden über dieses heikle Thema zu debattieren und dessen Einvernehmen zur Beschneidung einzuholen. Mit einem religionsmündigen Kind kann ein solches Gespräch geführt und dann gemeinsam entschieden werden.
Wir haben Verständnis, dass Juden und Muslime sich von dem Urteil bedroht und angegriffen fühlen. Diesen Sensitivitäten muss Rechnung getragen werden. Dies kann jedoch nicht erfolgen, indem die religiöse Beschneidung von Kindern dauerhaft entgegen unserer Gesetzesgrundlagen legalisiert wird. Es ist vielmehr ein Kompromiss zu finden, der religiöse Beschneidungen unter kontrollierten Bedingungen für einen festgelegten Zeitraum straffrei stellt, um in dieser Zeit den Wandel in den Religionen, weg von Zwangsbeschneidung von Kindern und hin zu freiwilliger Beschneidung zustimmungsfähiger Erwachsener, aktiv voranzutreiben. Religionen haben sich immer wieder reformiert und modernisiert, um sich neuen gesellschaftlichen Gegebenheiten und Vorstellungen anzupassen. Die Abschaffung von religiöser Zwangsbeschneidung von Kindern ist ein weiterer solcher Schritt, der nötig, überfällig und – wie Reformbewegungen insbesondere im Judentum zeigen – auch möglich ist. Die Bundesrepublik Deutschland könnte eine Vorreiterrolle spielen in dieser Entwicklung hin zu einer fortschrittlichen menschlichen Gesellschaft, die die Rechte des Individuums, die Rechte des Kindes, in das Zentrum stellt und dort schützt, wo es sich nicht selbst schützen kann.
Wir unterstützen die liberalen und progressiven Theologinnen und Theologen im Judentum und Islam in ihren Bemühungen, für eine unblutige, schmerzfreie und nichtchirurgische Auslegung der entsprechenden religiösen Gebote zu sorgen. Bis dahin sprechen wir uns für eine gesetzliche Übertragung des Eingriffs in staatliche Kliniken unter sterilen und schmerzfreien Bedingungen aus, um das gesundheitliche Risiko sowie das Trauma zu minimieren sowie damit die Ärzte über die Risiken und Folgen aufklären können und müssen. Zustimmungsfähig sollten Kinder ab dem Alter der Religionsmündigkeit sein.